Internet und die Gefahren

Haften Eltern bei Instagram, Snapchat, WhatsApp & Co. für ihre Kinder?


Kurze Antwort

Ja bis zum 18. Geburtstag des Kindes, wenn sie nicht beweisen können, dass sie nicht die elterliche Ausichtspflicht verletzt haben – egal was in den Nutzungsbedingungen für Altersangaben stehen.

Darüber hinaus haften grundsätzlich auch Kinder und Jugendliche für ihre strafbaren Handlungen z.B. Cybermobbing.


Lange Antwort

Wie ich schon in meinem Beitrag „Vorsicht, soziale Medien“ berichtete habe, ist Cybermobbing unter Jugendlichen kein Einzelfall. Die aktuelle JIM-Studie 2016 bestätigt dies (wieder einmal):

„In der Altersgruppe der Zwölf- bis 19-Jährigen gibt jeder Dritte (34 %) an, dass in seinem Bekanntenkreis schon einmal jemand im Internet oder per Handy fertig gemacht wurde. Mädchen haben dies mit 37 Prozent schon häufiger mitbekommen als Jungen (31%). Je älter die Jugendlichen sind, desto höher ist der Anteil derer, die schon von so einem Fall erfahren haben (12-13 Jahre: 26 %, 14-15 Jahre: 30 %, 16-17 Jahre: 39%, 18-19 Jahre: 39%). […]

Auf die direkte Nachfrage, ob sie selbst schon einmal als Opfer von Mobbing betroffen waren, antworten acht Prozent aller Jugendlichen mit ja, dies entspricht einer Größenordnung von etwa 500.000 Jugendlichen in Deutschland. Mädchen sind mit neun Prozent etwas häufiger betroffen als Jungen (7 %). Der Anteil der Opfer solcher Attacken wird mit zunehmendem Alter deutlich größer (12-13 Jahre: 4%, 14-15 Jahre: 6%, 16-17 Jahre: 8 %, 18-19 Jahre: 13%).“ ((JIM-Studie 2016, https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2016/JIM_Studie_2016.pdf (besucht am 21.03.2017), S. 49))

Statistische Grafik zur Mobbingerfahrung von 13 - 19 Jährigen.

JIM-Studie 2016, https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2016/JIM_Studie_2016.pdf (21.3.17), S. 51

Cypermobbing stellt laut Strafgesetzbuch (StGB) keinen eigenen Straftatbestand dar. Dennoch kennt das StGB Straftatbestände, die meist Teil von Cybermobbing oder eine bestimmte Form von Cybermobbing sind oder im Zusammenhang mit Cybermobbing – je Nach Fall – stehen können ((http://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/gefahren-im-internet/cybermobbing/folgen-fuer-taeter.html (besucht am 21.03.2017) ))  ((http://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/index.php?id=29 (besucht am 21.03.2017) )):

  • Beleidigung (StGB §185)
  • Üble Nachrede (StGB §186)
  • Verleumdung (StGB §187)
  • Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (StGB §201)
  • Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (StGB §201a [1])
  • Nötigung (StGB §240 [1])
  • Bedrohung (StGB §241)
  • Gewaltdarstellung (StGB StGB §131 [1])
  • Körperverletzung (StGB §223)
  • StGB Nachstellung (StGB §238)
  • Recht am eigenen Bild (KunstUrhG §22, 33)

Und nun stellt sich die Frage, ob die Jugendlichen für ihre Handlungen haftbar sind oder ob wir Eltern voll belangt werden können. Schließlich gibt es ja die alte Baustellenweißheit: „Eltern haften für ihre Kinder“. Und die Antwort ist … (wie immer in Deutschland) nicht so einfach.

Wann haften Kinder und Jugendliche?

Das kommt darauf an, wie alt sie sind:

  • bis 6 Jahre (Geschäftsunfähigkeit)
  • 7 – 17 Jahre (beschränkte Geschäftsfähigkeit)
  • ab 18 Jahre (volle Geschäftsfähigkeit)

„Gemäß § 104 Nr. 1 BGB ist derjenige, der das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, geschäftsunfähig. Das bedeutet u.a., dass er oder sie keinen Vertrag wirksam abschließen kann. […] Für einen solchen Vertragsschluss benötigt man [eine] sogenannte wirksame Willenserklärungen. Diese kann ein Geschäftsunfähiger aber nicht abgeben, denn seine Willenserklärung ist nach § 106 Abs. 1 BGB nichtig und damit rechtlich nicht existent.

Nach § 106 BGB sind Minderjährige, die zwischen sieben und siebzehn Jahren alt sind, beschränkt geschäftsfähig. Das heißt im Klartext, dass sie durchaus wirksam Verträge schließen können, wenn ihre Eltern es erlauben […]. Diese Zustimmung kann erstens vor Vertragsschluss gegeben werden, dann heißt sie Einwilligung. […] Andererseits können die Eltern aber auch zustimmen, nachdem der Vertrag schon geschlossen wurde. Dies bezeichnet man dann als Genehmigung.“  ((https://www.anwalt.de/rechtstipps/wenn-kinder-vertraege-schliessen_068468.html (besucht am 22.03.2017) )) (Siehe auch  ((http://www.recht-kinderleicht.de/koennen-kinder-allein-vertraege-schliessen/ (besucht am 22.03.2017) ))).

Das heitß also: „Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres sind Kinder nicht deliktsfähig, d. h. sie können aufgrund eines Schadens, den sie verursacht haben, nicht in Haftung genommen werden. Ab Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind Kinder/Jugendliche bedingt deliktsfähig. In diesem Alter sind Minderjährige für einen verursachten Schaden nicht verantwortlich, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht nicht hatten. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Bezugnahme auf den konkreten Fall beantwortet werden.“  ((https://www.anwalt.de/rechtstipps/eltern-haften-fuer-ihre-kinder-oder-doch-nicht_049165.html (besucht am 22.03.2017) ))

Um es also noch mal ganz deutlich zu machen: „Auch Kinder unter 14 Jahren die strafunmündig sind können unter Umständen zivilrechtlich auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden. Die hierfür erforderliche Deliktsfähigkeit kann bereits ab dem Alter von 7 Jahren gegeben sein. Dies ergibt sich aus § 828 BGB.“  ((https://www.wbs-law.de/it-recht/cybermobbing-auf-facebook-minderjaehriger-schueler-zu-schmerzensgeld-verurteilt-63523/ (besucht am 22.03.2017) )) – wie das folgende Beispiel von Cybermobbing eindringlich zeigt:

„Das Landgericht Memmingen verurteilte den zur Tatzeit 12-jährigen Schüler mit Urteil vom 3.02.2015 – Az.: 21 O 1761/13 zu 1.500 Euro Schmerzensgeld. […] Das Gericht hatte auch aufgrund des Bildungsstandes des Täters und der Aufklärung im Unterricht über das Thema Cybermobbing keinerlei Zweifel daran, dass er trotz seinem Alter von 12 Jahren bereits deliktsfähig gewesen ist.“  ((https://www.wbs-law.de/it-recht/cybermobbing-auf-facebook-minderjaehriger-schueler-zu-schmerzensgeld-verurteilt-63523/ (besucht am 22.03.2017) ))

Fazit: Grundsätzlich haften Kinder und Jugendliche für von ihnen begangenes Cybermobbing.

Und wir Eltern? Haften wir für von unseren Kinder begangenes Cybermobbing?

Das kommt darauf an, ob wir Eltern unsere elterliche Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB). „Art und Umfang der Aufsichtspflicht wiederum richten sich […] nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Die konkrete Ausgestaltung der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, sowie danach, was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. […] Die Anforderungen an eine Aufsichtspflicht erhöhen sich entsprechend, wenn das Kind bereits in der Vergangenheit auffällig gewesen ist, einen vorsätzlichen Schaden verursacht oder sogar bereits eine Straftat begangen hat. Eltern haben ihre Kinder so zu betreuen, dass andere keinen Schaden nehmen. Dabei muss diese Aufsichtspflicht je nach Alter Eigenart und Charakter des Kindes keine „Rund-um-die-Uhr-Bewachung“ sein.“  ((https://www.anwalt.de/rechtstipps/eltern-haften-fuer-ihre-kinder-oder-doch-nicht_049165.html (besucht am 22.03.2017) ))

Die Beweislast liegt hier bei uns Eltern und dabei können wir uns nicht auf den Hinweis, dass wir unsere Kinder ja nicht dauer-überwachen können, verlassen. D.h., wer seinem Kind einen Telefonvertrag einrichtet, die SIM mit den Worten „viel Spaß“ übergibt und sich ansonsten nicht weiter um sein Kind kümmert bzw. für das, was es da tut, interessiert, der bzw. die hat seine / ihre elterliche Aufsichtzpflicht verletzt und haftet für den Schaden.

Laut dem c’t Artikel „Schutz befohlen! – Rechtliche Risiken für Kinder und Jugendliche im Internet“ im Heft 13 aus 2013 Seite 154 können wir Eltern mit unseren Kindern einen Internet-Vertrag schließen, der Verbote ausspricht, über Risiken informiert und von beiden Parteien unterschrieben werden muss. Dabei besteht aber das Risiko, dass vor Gericht Teile als fehlerhaft und damit unwirksam moniert werden können. Außerdem müsste der Vertrag immer auf die aktuelle Situation und Reife unseres Kindes angepasst werden. „Besser ist es daher, beispielsweise im Rahmen des Familienrats ein klärendes Gespräch zu führen und sich darüber Notizen zu machen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte einen Zeugen dazu bitten.“  ((c’t 2013, Heft 13: https://www.heise.de/ct/ausgabe/2013-13-Rechtliche-Risiken-fuer-Kinder-und-Jugendliche-im-Internet-2320408.html (besucht am 22.03.2017) ))

Und wenn Sie nicht beweisen können, dass Sie nicht ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt haben, dann gilt, Stefan Didam von der Kreispolizeibehörde im Hochsauerland: „Der Karteninhaber haftet. Das sind meistens die Eltern. […] Schreibt mein Kind dann Beleidigungen auf, ist es, als hätten die Eltern das getan. Wichtig ist also, dass man aufpasst, was das Kind mit dem Handy anstellt.“  ((http://www.wp.de/staedte/altkreis-brilon/eltern-haften-fuer-ihre-kinder-auch-im-netz-id12364357.html (besucht am 23.03.2017) ))

Fazit: Eltern haften nur dann für Ihre Kinder, wenn sie nicht beweisen können, dass sie die elterliche Aufsichtspflicht nicht verletzt haben. Und um das beweisen zu können, müssen Eltern entsprechende Vorkehrungen treffen. Dies bedeutet letztendlich, dass Eltern ihre Kinder beim Umgang von Instagram, Snapchat, WhatsApp & Co. begleiten müssen.

Und wenn Ihr Kind zu Schmerzensgeld verurteilt wird und dieses nicht aus dem eigenen Reichtum bezahlen kann, dann sind natürlich wir Eltern wieder im Boot, ob wir nun unsere elterliche Aufsichtspflicht verletzt haben oder nicht.

Feedback

Als juristischer Laie und besorgter Vater interessieren mich zwei Dinge:

  1. Hab ich die Frage „Haften Eltern bei Instagram, Snapchat, WhatsApp & Co. für Ihre Kinder?“ verständlich beantwortet? Ist irgendwo was unklar geblieben?
  2. Hab ich die Frage juristisch richtig beantwortet?

Über Anmerkungen, Kommentare und Feedback würde ich mich sehr freuen. Einfach unten das Formular benutzen. 🙂

Quellen

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